Tagebuch: der vorgezogene Sonntag...

Das Licht im Spätherbst - Blick von Locarno Richtung Magadinoebene
Das Licht im Spätherbst - Blick von Locarno Richtung Magadinoebene

 

 

Grüezi mitenand (noch zwei Tage bis zur Wahl)

 

Regelmässige Besucher dieses Tagebuchs wissen: Am siebten Tage soll der Mensch ruhn und mit ihm die Politik. Am kommenden (Wahl-)Sonntag wird das relativ schwierig sein. So habe ich den Freitag zum politikfreien Tag gemacht und nochmals frisch getankt: viel Sonne und ein paar Kalorien in Pizza-Form.

 

Das Tessin ist eine ideale Ausweichstelle. Wir sind noch in der Schweiz - und doch irgendwie nicht. An der Piazza Grande Locarno bekommt man eine andere Sprache serviert und den Espresso für 2.50 Franken.  

 

Hier habe ich mir an der Sonne sitzend wieder einmal ein Buch gegönnt: "Starke Schweizer Frauen" von Daniele Muscionico. Es sind 24 Porträts, jedes verdichtet auf wenige Seiten. Die Lektüre ist eine absolute Entdeckungsfahrt. Oder wussten Sie von Alfonsina Storni (1892-1938), die mit ihren Eltern aus dem Tessin nach Argentinien auswanderte und heute zu den grössten Dichterinnen des Landes zählt - was ihr aber ein früher Tod in Armut nicht ersparte?

 

Bekannter ist da Elsie Attenhofer (1909-1999). Sie gilt als die Grande Dame des Schweizer Kabaretts und begründete das antifaschistische Cabaret Cornichon. Attenhofer wusste: Nichts ist tödlicher als die Lächerlichkeit - und so machte sie sich lustig über die Nazis und Fröntler jener Jahre.

 

Mit 89 bekam die streitbare Frau die goldene Ehrennadel des Kantons Zürich. Mit grossem Tamtam und unter Lobreden. Attenhofer bedankte sich auf ihre Weise: "Ich bin ja zutiefst gerüht, dass ich kurz vor meinem Ableben noch eine Medaille bekomme. Doch ich hoffe nur, dass ihr auch alles glaubt, was ihr Schönes über mich erzählt habt." Ehrlichkeit muss manchmal weh tun.

 

Mit besten Grüssen

Peter Keller (und bis morn...)