(Wochenbuch 356): Wo sind wir da...?

 

Grüezi mitenand

 

Eine eindrückliche Landwirtschaft, eine kleine Burg hoch über der Ebene, man hört in der Ferne Schafe... Ich war für die Weltwoche ein paar Tage in Albanien. Während Grossbritannien mehr oder weniger erfolgreich den Ausstieg aus der EU vollzieht, will Albanien Beitrittsverhandlungen mit Brüssel aufnehmen.

 

Das Land im Westbalkan ist immer noch eher ein weisser Fleck auf der Karte. Fünfzig Jahre lang war Albanien dem Sozialismus ausgeliefert, der Diktator Enver Hoxha hielt die Bevölkerung wie in einem Gefängnis und hinterliess ein traumatisiertes Armenhaus. Ein Freund von mir war kurz nach dem Sturz der sozialistischen Diktatur in Albanien - und er hat eine aufschlussreiche Beobachtung gemacht: Die Leute hätten alle zehn oder fünfzehn Jahre älter ausgesehen, als sie tatsächlich waren.

 

Heute zeigt sich ein anderes Land, eine andere Gesellschaft. Die Hauptstadt ist lebendig, die Leute wollen etwas erreichen. Auch wenn es noch viele Schwierigkeiten gibt - alle beklagen die Korruption - hat sich doch vieles enorm verbessert.

 

Besonders beeindruckt war ich von Ida. Sie arbeitet gerade an der Reception des kleinen Hotels, wo ich war, und ist ausgebildete Pflegefachfrau. Sie spricht hervorragend Englisch und lernt gerade Deutsch. Ihr Ziel: in einem deutschen Spital oder einer anderen Gesundheitseinrichtung zu arbeiten. Ob es ihr schwerfalle, die Heimat zu verlassen? Sie gehe ja nicht für immer, meinte sie lächelnd, und es sei eine Chance für sie und natürlich sei der Verdienst ganz anders.

 

Albanien ist auf dem Weg - der bei manchen über ein westeuropäisches Land führt. Auf der anderen Seite hat die Schweizer Traditionsmarke Künzli Schuhe ihre Produktion vor einem Jahr nach Albanien verlagert. Natürlich wegen der tieferen Löhne, aber auch weil es dort gut ausgebildetes, motiviertes Personal gibt. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

 

Mit besten Grüssen (und bis bald), Peter Keller